Keramiksymposium verbindet Wissenschaft und Praxis
Unsere Jahrestagung mit dem Keramiksymposium ist ein echtes Highlight im dentalen Veranstaltungskalender und richtet sich an Werkstoffexperten, Zahnärzte und Zahntechniker. Bereits mit der ersten Jahrestagung im Jahr 2001 hat sich dieses Symposium als herausragende Plattform für den Austausch von Praxis, Labor und Wissenschaft im Bereich der Dentalkeramiken fest etabliert.
Keramik-Symposium 2025
Zahnmedizin und Zahntechnik im Spannungsfeld zwischen Tradition und Algorithmen
25igstes Fachsymposium der AG Keramik am 19.06.2025 in Nürtingen
im Rahmen der ADT-Jahrestagung (Präsenzveranstaltung)
Wie verändern Algorithmen, Materialien und Verfahren die Indikationsstellung, das Design und die Umsetzung keramischer Restaurationen? Welche Chancen bieten KI-Systeme – und wo liegen ihre Grenzen?
Das diesjährige Programm, das Praxis und Wissenschaft in Zahnmedizin, Zahntechnik und Werkstoffkunde gemeinsam auf das Podium brachte, spannte einen großen Bogen von vielfältig dotierten Werkstoffen, ihrer Herstellung und Verarbeitung, über die neuesten digitalen Technologien bis zu KI-gestützten Lösungen in Zahnmedizin und Zahntechnik.
Prof. Dr. Jan-Frederik Güth (Frankfurt a.M.): Aufbruch mit Weitblick – Keramik, KI und klinische Konsequenz
Mit einem Grußwort eröffnete Prof. Jan-Frederik Güth, neuer Präsident der ADT, das diesjährige Symposium und schlug dabei eine Brücke zwischen Tradition und Aufbruch. Die Zahntechnik und Zahnmedizin befänden sich in einem dynamischen Wandel, bei dem technologische Entwicklungen und klinische Erfahrung neu zusammengedacht werden müssten.
Er wies auf die zahlreichen thematischen Schnittmengen von ADT und AGK+ hin und betonte die Relevanz der Symposium-Agenda mit führenden Experten aus Zahnmedizin, Zahntechnik und Materialwissenschaft. Sie zeigten eindrucksvoll: Wer die Zukunft gestalten will, braucht nicht nur digitale Werkzeuge, sondern auch einen klaren ethischen Kompass, materialkundliche Expertise – und das Bewusstsein für den Menschen im Zentrum aller Entscheidungen.
Dr. Bernd Reiss (Malsch): Erfahrung trifft auf KI – Impulse zur Zukunft keramischer Restaurationen
Zum Auftakt der Jahrestagung gab der AGK+ Vorsitzende Dr. Bernd Reiss einen programmatischen Überblick zu den thematischen Highlights der Veranstaltung – und stellte dabei klar: Die AG Keramik+ denkt Vollkeramik konsequent weiter. Zunehmend rückten vielfältig dotierte Werkstoffe in den Fokus – ebenso wie neue Prüfverfahren oder Herstellungsprozesse von CAD/CAM bis KI. Die AG Keramik+ verstehe sich als Begleiterin des Fortschritts und der thematischen Ausweitung, die sie mitvollziehe. Was essenziell bleiben wird, sind die Erkenntnisse zur Langzeitbewährung keramischer Materialien, die von der AG Keramik+ in der CSA-Studie systematisch erfasst werden.
Darüber hinaus, so Dr. Reiss, wolle das diesjährige Keramiksymposium nicht nur Entwicklungen präsentieren, sondern Denkanstöße liefern: Wie verändern KI-gestützte Verfahren die Indikationsstellung? Wie profitieren Materialwahl und -entwicklung vom Zusammenspiel aus klinischer Erfahrung und algorithmischer Intelligenz?
Sein Fazit: Der interdisziplinäre Austausch auf der Tagung und die Auswahl der Referierenden spiegeln die Überzeugung, dass technologische Innovation und klinische Erfahrung sich gegenseitig bereichern.
ZTM Uwe Bußmeier (Greven): KI im Labor – Zwischen Effizienz und Verantwortung
Im Vortrag von Uwe Bußmeier wurden die Chancen und Risiken von KI im zahntechnischen Alltag näher beleuchtet– dabei zeigte sich der Referent deutlich kritisch. Zwar eröffnen digitale Tools neue Möglichkeiten in der Fertigung und Planung, doch bergen sie auch erhebliche Fallstricke. Anhand konkreter Beispiele – etwa gebrochener Brücken durch fehlerhafte Verbinder oder unzureichendes Nesting bei geschichteten Ronden – wurde deutlich: Die aktuellen Systeme liefern teils ungeprüfte oder nicht anpassbare Vorschläge.
So warnte Uwe Bußmeier vor einem Verlust handwerklicher Kompetenz und Urteilsvermögen, vor Systemausfällen, Datenschutzproblemen und rechtlichen Grauzonen bei KI-Fehlern. Unterschiedliche KI-Modelle lieferten zudem teils widersprüchliche Ergebnisse – und Empathie, so sein Fazit, bleibt ohnehin eine rein menschliche Kompetenz.
Sein Appell: Digitale Kompetenz muss an den Behandlungsstuhl und ins Labor – aber nicht blind, sondern mit kritisch geschultem Blick.
ZTM Otto Prandtner (München): KI versus „dentale Persönlichkeit“ - eine ethische Standortbestimmung
Seinen philosophisch fundierten Vortrag eröffnete Otto Prandtner mit der provokanten Frage: Wer dient im Verhältnis Mensch und Maschine eigentlich wem? Er zeichnete den Weg vom Humanismus über den Trans- bis hin zum Posthumanismus nach und warf einen kritischen Blick auf eine Zukunft, in der KI zunehmend den Ton angeben wird.
Doch genau hier erkennt er einen Flaschenhals, der die Entwicklung bremst – auf regulatorischer, ethischer, finanzieller und vor allem kommunikativer Ebene. Anhand digitaler Smiledesign-Tools zeigt er, wie KI-Vorschläge Patienten häufig auf Avatare reduzieren: ohne Mimik, ohne Stimme, ohne Persönlichkeit. Was bleibt, ist ein generisches Ideal – aber kein echtes Gegenüber. Die Folgen erlebt er im Praxisalltag: unzufriedene Patienten, deren Lächeln zwar makellos erscheint, aber nicht zu ihnen passt. Seine wichtigste Erkenntnis aus diesem Prozess: „Perfekt muss nicht automatisch schöner sein.“
Sein Plädoyer: Der Patient ist kein passiver Konsument. In fundierten Gesprächen und mit Hilfe eines professionellen Analyseverfahrens können Zahntechniker und Behandler die „dentale Persönlichkeit“ des Patienten entschlüsseln und Technologien dann für wirklich typgerechte und maßgeschneiderte Ergebnisse einsetzen.
Prof. Dr. Bogna Stawarczyk MSc (München): Werkstoff im Fokus – Polymere zwischen Anspruch und Anwendung.
Die Ingenieurin und Wissenschaftlerin für dentale Werkstoffkunde gab einen tiefgehenden Überblick über aktuelle Werkstoffe für keramische und polymerbasierte Restaurationen – differenziert nach fräsbaren Polymeren, PAEK/PEEK und gedruckten Kunststoffen.
Der Wunsch nach biomimetischen Materialien, die dem natürlichen Zahn in Festigkeit und Aufbau nahekommen, beeinflussen die Entwicklung immer neuer Werkstoffe. Doch die Realität ist komplex: Komposite zeigen gute Abrasionswerte, neigen aber zu Verfärbungen; PMMA ist leichter zu verarbeiten, aber mechanisch schwächer. PAEK punktet mit Stabilität und Allergikerfreundlichkeit, stellt das Labor aber vor Herausforderungen in der Bearbeitung und farblichen Gestaltung.
Die Forschung zeigt: Alle Materialien unterliegen mit der Zeit Veränderungen – von Bruchzähigkeit bis Oberfläche. Entscheidend sei ein validierter, durchgängig abgestimmter Workflow – denn schon kleine Abweichungen im Prozess, in der Nachbearbeitung oder Reinigung können das Ergebnis maßgeblich verändern.
Der Blick in die Zukunft: Vielversprechende integrierte 3D-Drucksysteme mit automatisierter Nachbearbeitung sind bereits in Entwicklung, aber noch nicht marktreif.
Ihr Fazit: PMMA für Provisorien, Komposite für definitive Kronen, PAEK gezielt für Allergiker – und Polymere insgesamt: ein klares Ja, aber nur mit Blick für die Details.
Prof. Dr. Falk Schwendicke (München): Assistenz ja – Autopilot nein: KI in Diagnostik und Zahnmedizin
Prof. Schwendicke führte in die Grundlagen der Künstlichen Intelligenz ein – und stellte klar: KI ist keine neue Erfindung. Schon in den 1940er-Jahren wurden erste neuronale Netzwerke modelliert. Neu sei heute vor allem die Fähigkeit der Systeme, sich eigenständig weiterzuentwickeln und sich selbst quasi „fortzupflanzen“, indem sie ihre eigenen Programmiercodes generieren.
In der Zahnmedizin findet KI bereits Anwendung – etwa bei der Kariesfrüherkennung oder der Auswertung von Röntgenbildern. Dabei zeige sich ein ambivalentes Bild: Einerseits erkennt KI bis zu 40 % mehr Frühkaries – andererseits wächst damit die Gefahr der Übertherapie. Die sich daraus ergebenden Fragen berühren auch Haftungsthemen: Muss man entdeckten Frühkaries immer sofort behandeln?
In diesem Zusammenhang warnte Falk Schwendicke auch vor einem „Verlernen“ klinischer Muster durch zu große Abhängigkeit von Maschinen.
Sein Fazit: KI kann als Assistenzsystem wertvolle Dienste leisten – darf aber niemals die ärztliche Entscheidung ersetzen. Verantwortung und Diagnostik bleiben menschlich.
Keramiksymposium 2025: Fortschritt braucht Haltung
Die Jahrestagung der AG Keramik 2025 machte deutlich: Der technologische Fortschritt – ob durch KI, neue Materialien oder digitale Verfahren – ist kein Selbstläufer. Er fordert Verantwortung, Wissenstransfer und den Dialog zwischen Technik und klinischer Praxis.
Von der kritischen Auseinandersetzung mit KI-Systemen über die Herausforderungen moderner Werkstoffe bis hin zur Frage, wie viel Entscheidungsfreiheit Patientinnen und Patienten wirklich brauchen – die Tagung war ein Plädoyer für ein selbstbewusstes, reflektiertes Fach.
Unser Fazit: Werkstoffe bleiben dabei im Fokus – aber eingebettet in ein größeres Ganzes: in validierte Workflows, ethische Abwägungen und individuelle Behandlungskonzepte. Auf dem Keramiksymposium traf Erfahrung auf KI – aber auch auf eine Zukunft, die ohne beides nicht auskommt.
Forschungspreis 2025
Zum Abschluss des Symposiums stellte Dr. Bernd Reiss, Vorsitzender der AG Keramik und Laudator, die Preisträger des Forschungspreises 2025 vor, die ihre ausgezeichneten Arbeiten dem Publikum präsentierten.
Keramik-Symposium 2024
Austausch zwischen Keramik und Implantologie
Forum der AG Keramik am 30.11.2024 in Dresden
im Rahmen des DGI-Kongresses (Präsenzveranstaltung)
Im 25. Jahr ihres Bestehens hat die AG Keramik+ ihr traditionelles Symposium als Forum im Rahmen des DGI-Kongresses in Dresden veranstaltet. In einem bis auf den letzten Patz besetzten Saal verfolgten mehr als 200 Teilnehmer die spannenden Vorträge.
“Unser keramisches Konzept auf Implantaten”
DGI Past-Präsident Prof. Dr. Florian Beuer (Charité) und ZTM Andreas Kunz (Berlin) präsentierten ihr keramisches Konzept auf Implantaten.
Vorstellung des Forschungspreises und Präsentation der Videopreise der AG Keramik
Ein Highlight des Symposiums war die Verleihung der Forschungs- und Videopreise durch den Vorsitzenden der AG Keramik+, Dr. Bernd Reiss, mit den Präsentationen der Arbeiten durch ihre Autoren. Drei gleichwertige Preise verlieh die AG Keramik+ für besonders fundierte und praxisrelevante wissenschaftliche Arbeiten. In der Kategorie Videopreise wurde diesjährig ein Preis vergeben.
“Die charmante Implantat-Alternative?! Adhäsiv befestigte Zirkonoxydkeramik im Front- und Seitenzahnbereich”
Eine minimalinvasive Alternative zur Implantatversorgung stellte Prof. em. Dr. Matthias Kern (Kiel) mit seinen Klebebrücken aus Zirkoniumdioxid für den Front- und Seitenzahnbereich vor.
“Vollkeramik in der Implantatprothetik – Was ist reif für die Praxis?”
Prof. Dr. Stefan Wolfart und Dr. Lukas Waltenberger (RWTH Aachen) loteten in ihrem Vortrag aus, welche Formen der vollkeramischen Versorgung in der Implantatprothetik heute praxisfähig sind.